Sonnenschutz
Dr. Peter Germann, Allgemein- und Umweltmediziner in Worms
LZgA-Interview
Der Klimawandel wird uns künftige wohl sehr heiße und trockne Sommer bescheren ...
Peter Germann: Wir erwarten nicht nur heiße und trockene Sommer. Auch die Unwetterfrequenz nimmt in Deutschland zu, es wird starke Gewitterphasen und Hurrikans geben. Nicht allein die Hitze, sondern die Wechselhaftigkeit des Wetters macht den Menschen zu schaffen, vor allem denjenigen, die sensibel sind – also auch kleinen Kindern. Die Gewohnheit, Kinder im Sommer zum Spielen rauszuschicken, kann dann kritisch werden. Es ist heißer und die Sonne ist viel stärker als früher, das heißt es kommt schneller zu Sonnenbrand. Das ist im Denken noch nicht so stark verankert. Andererseits sind aber auch die Schutzmittel stärker geworden: Der Lichtschutzfaktor reicht heute von 10 bis 30, das gab’s vor 20 Jahren so nicht.
Warum ist zuviel Sonneneinstrahlung – vor allem für Kinder – gefährlich?
Peter Germann: Gefährlich ist der Sonnenbrand, der die Entwicklung von Tumoren begünstigt. Und Kinderhaut ist viel empfindlicher und angreifbarer und entzündet sich schneller, weil sie viel zarter ist als Erwachsenenhaut. Je früher und je stärker man sich der Sonne aussetzt, desto eher wird Hautkrebs gefördert. Heute haben schon 25- bis 30-Jährige schwarzen Hautkrebs, das ist ein sehr aggressiver Krebs. In den vergangenen Jahren hat sich die Häufigkeit dieser Krebsart verdreifacht.
Was müssen Eltern beachten, wenn sich Kinder in der Sommersonne aufhalten?
Peter Germann: Wichtig ist eine gute Sonnencreme, die man eine halbe Stunde vor dem Aufenthalt in der Sonne einwirken lässt. Häufig wird Sonnencreme falsch benutzt: Wenn sie zu kurz vor dem Sonnenbad aufgetragen wird, können die Stoffe keine Wirkung entfalten. Oder man geht nach dem Eincremen zu schnell ins Wasser. Es gibt auch „pigmenthaltige“ Sonnencremes, die sofort schützen. Sie enthalten eine Metallsuspension, die die Strahlen von der Haut reflektiert. Medizinisch gesehen sind diese Produkte aber nicht zu empfehlen, da die Metallteilchen von der Haut aufgenommen werden und die Zelle schädigen können. Vor allem bei Neurodermitikern besteht die Gefahr, dass Inhaltsstoffe die Haut durchdringen.
Ein Sonnenhut ist wichtig, um einen Sonnenstich zu vermeiden, und ein T-Shirt, um Schulter und Rücken zu schützen. Das sollten Kinder auch beim Spielen im Wasser tragen, da der Oberkörper durch die Reflexion sehr starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist.
Wer Strandurlaub macht, sollte den Aufenthalt in der Sonne peu à peu steigern. Vom ersten Tag vormittags und nachmittags jeweils drei Stunden in der direkten Sonne ist zuviel für kleine Kinder. Am ersten Tag sind maximal drei Stunden Sonnenbaden genug. Dies können die Eltern täglich um 30 Minuten verlängern. Da die Hitze müde macht, ist eine dreistündige Mittagspause ohne Sonne wichtig, damit sich der Körper regenerieren kann. Außerdem braucht der Körper an heißen Sommertagen mehr Flüssigkeit: Erwachsene sollten mindestens zwei Liter reine Flüssigkeit trinken und Kinder mindestens einen. Wer körperlich aktiv ist, braucht noch mehr.
Bieten Sonnencremes einen 100-prozentigen Schutz?
Peter Germann: 100-prozentig gibt es nicht. Die Wirkung der Sonnencreme hängt vom Hauttyp ab und von der Dauer der Sonneneinstrahlung. Deshalb ist es wichtig, den Sonnenschutz und die Sonnendauer entsprechend des Hauttyps zu wählen.
Sind After-Sun-Produkte nach dem Sonnenbaden sinnvoll?
Peter Germann: After-Sun-Produkte bieten keinen Mehrwert, Sonnencremes beinhalten schon ausreichend Pflegestoffe für die Haut. Wenn jemand Sonnenbrand hat, kann mit einer panthenolhaltigen Lotion die Heilung verbessert werden. After-Sun Produkte beinhalten aus meiner Sicht wieder zu viele unnötige Hilfsstoffe.
Brauchen Kinder Sonnenbrillen?
Peter Germann: Sonnenbrillen sind für Kinder genauso nützlich wie für Erwachsene, um die Bindehaut nicht zu überlasten. Aber bei kleinen Kindern ist es fraglich, ob sie sie konsequent anziehen – und ob Sonnenbrillen geeignet sind, wenn Kinder rumtoben. Ein Sonnenhut, der einen Schatten über das Gesicht wirft, ist für Kinder wahrscheinlich besser.
Warum sind hohe Ozonwerte gefährlich und wie kann man sich schützen?
Peter Germann: Ozon ist ein sehr reaktives Gas, das heißt es geht schnell chemische Reaktionen ein. Im menschlichen Körper lässt es die freien Radikale ansteigen, der Organismus wird überlastet und man erschöpft schnell. Vor allem empfindliche Personen mit einem schwachen Stoffwechsel reagieren stark auf Ozon, aber auch Kinder, weil es für sie ungewohnt ist, und Menschen mit Vorerkrankungen. Bei der Patientengruppe, die beispielsweise mit der Lunge Probleme hat, können sich die Bronchien verengen, wenn ozonhaltige Luft eingeatmet wird. Wenn die Ozonwerte hoch sind, sollten sich empfindliche Personen körperlich schonen und nicht in die Sonne gehen, weil dann die Reserven (z. B. Antioxidantien) schneller verbraucht werden.
Muss man im Sommer vorsichtig mit körperlichen Aktivitäten und Sport sein?
Peter Germann: Wer gesund und leistungsfähig ist, kann auch im Sommer Sport treiben, am besten morgens. Ab Temperaturen von 30 Grad steigt die Gefahr, sich zu schädigen – ebenfalls weil dann die freien Radikale im Körper zunehmen. Wer nicht regelmäßig Sport treibt, übergewichtig oder körperlich eingeschränkt ist, sollte sich bei starker Hitze nicht sportlich betätigen.
Durch milde Winter – wie den vergangenen – haben Insekten im Sommer Hochkonjunktur. Wovor muss man sich in Acht nehmen?
Peter Germann: Bisher wird noch nicht behauptet, dass über Insekten Krankheiten übertragen werden. Es gibt dieses Jahr mehr Zecken, angeblich wegen des milden Winters, aber das Bewusstsein der Ärzte für die durch Zecken übertragbaren Krankheiten (FSME und Borreliose) ist stark gewachsen. Man kann nicht sagen, dass der schlimme Verlauf der FSME oder bleibende Schäden zunehmen. Die Mehrheit der Infektionen verläuft glimpflich, genauso wie andere Viruserkrankungen auch. In Rheinland-Pfalz gibt es hinsichtlich FSME nur ein Hochrisikogebiet, das ist der Landkreis Birkenfeld. Aber das akut Schlimmste sind nach wie vor die Wespenstiche.